„Kontakt“ Kurzgeschichtenwettbewerb 4D

In den Monaten, als persönlicher Kontakt weitgehend eingeschränkt war, ließen wir uns vom Begriff „Kontakt“, dem diesjährigen Thema des FM4-Schreibwettbewerbs „Wortlaut“, inspirieren und verfassten unsere eigenen Kurzgeschichten. Online führten wir ein klasseninternes Wettlesen durch und ermittelten die Siegerin.

Olivia Tucnys Geschichte „2027“ ist eine „Corona“-Geschichte zum Fürchten, in der sie unsere Sehnsucht nach Kontakt in dieser schwierigen Zeit begreiflich macht. Im Folgenden ihr Text.

Platz 2: Valeria Vdovichenko, Platz 3: Sarah Drews, Platz 4: Mathea Ignatowicz

4D, Dr. Karin Zettl

Olivia, Tucny, 2027

,,Frohes Neues“, wünschte mir meine Mutter. Wir waren jetzt bereits im siebten Quarantäne Jahr und nichts hatte sich verbessert. Die Menschen wurden immer kränker und mussten sich in ihren Kellern einsperren. Niemand wusste, wie es draußen aussah, jeden Tag hörten wir Radio und hofften auf gute Neuigkeiten, ob vielleicht doch ein Impfstoff gegen das Virus gefunden worden war, oder man endlich wieder „raus“ durfte, aber immer wieder nur Berichte über neue Todesfälle in der Umgebung. Man hatte gar keinen Überblick mehr, wie es allen FreundInnen, Verwandten und KollegInnen ging.

,,Danke, wünsch ich dir auch Mama!“ ,  erwiderte ich. Ich versuchte mir meine Angst nicht ansehen zu lassen, da ich nicht wollte, dass sich meine Mutter unnötig Sorgen um mich machte. Trotzdem spürte ich, wie mich Furcht und Unruhe innerlich auffraßen, wie sehr mich die Isolation psychisch und physisch belastete und mich das Zusammenleben allein mit meiner Mutter hinunterzog. Alles spielte sich zu Hause ab. Das Leben, das Studium, die Arbeit meiner Mutter. Ständig nur wir zwei auf engstem Raum.  Ich konnte den hoffnungslosen Gedanken, die sich mittlerweile immer fester in mir festkrallten, nur entkommen, wenn ich online ging und virtuell mit meinen FreundInnen Kontakt hatte. Hier konnten wir uns austauschen, miteinander chatten und telefonieren. Es machte mich verrückt, sie nicht real sehen zu können, da mir die menschliche Nähe, Umarmungen und gemeinsames Lachen schmerzlich fehlten. Mir war bewusst, dass wir noch länger in Quarantäne bleiben mussten, weshalb ich auf eine ziemlich blöde Idee kam.

Ein paar Tage zuvor hatte ich im Radio gehört, dass eine junge Frau beim Versuch nach draußen zu gehen erwischt und umgehend von der Kontroll-Polizei abgeführt worden war. Ich wusste, es klang verrückt, aber ich fand ihre Idee einfach fantastisch und sehr inspirierend und musste Tag und Nacht daran denken, meine Freunde in echt treffen zu können. Wochenlang beschäftigte ich mich mit kaum etwas anderem und entschloss mich dann dazu, meine beste Freundin in meinen riskanten Plan einzuweihen. Sie gestand mir im Gegenzug, dass auch sie sich schon seit langer Zeit kaum etwas mehr wünschte, als mich wieder zu treffen. Wir wohnten nicht weit voneinander entfernt und wir begannen zu planen. Meine Mutter durfte nichts davon erfahren, denn sie hätte mich auf alle Fälle von meinem Vorhaben abgehalten.

Als meine Mutter eingeschlafen war, schlich ich mich vorsichtig aus dem Haus und machte mich, in eine dicke Jacke eingehüllt mit Haube und Schal, auf den Weg durch die eiskalte Nacht. Kein Mensch war zu sehen, endlich wieder Luft zum Atmen, das Licht kam nur vom Mond und den Sternen. Wie schön es doch in Freiheit war! Doch davon durfte ich mich in der Situation nicht ablenken lassen. Ich musste vorsichtig sein. In wenigen Minuten würde ich am Treffpunkt sein. Mein Herz schlug wie verrückt. Als ich um die Ecke bog, stand ich plötzlich vor einem unüberwindbaren Zaun, der früher nicht dort gewesen war. Auf der anderen Seite des Zaunes konnte ich meine Freundin mit verblüfftem Gesichtsausdruck dastehen sehen. Es war unheimlich. Unheimlich schön, sie zu sehen. Unheimlich schrecklich, sie nicht umarmen zu können. Tränen standen in unseren Augen, als wir uns näherkamen. Ich streckte meine Finger durch den Zaun. Langsam berührten sich unsere Fingerspitzen.